Comemso, SchoolCraft und Arztpraxis im GeLo gewinnen Auszeichnung des Landes | Ministerpräsident Kretschmann: „Junge Unternehmen bringen Ökonomie und Ökologie zusammen, stärken den gesellschaftlichen Zusammenhang und gestalten damit die Welt von morgen.“
Landespreis
Land und L‑Bank vergeben Landespreis für junge Unternehmen
Stuttgart, 15.07.2021. „Ein Unternehmen neu zu gründen und aufzubauen verlangt einem schon alles ab. Es dann aber auch noch durch eine Pandemie zu steuern, ist eine ganz besondere Leistung“, so der Schirmherr des Landespreises für junge Unternehmen Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Preisverleihung am Donnerstag (15.07.2021) in der L‑Bank in Stuttgart. „Meine Landesregierung tut, was möglich ist, damit Unternehmen – und gerade auch junge Unternehmen – hier in Baden-Württemberg weiterhin erfolgreich sein können. Viele von ihnen haben während der Pandemie Überbrückungshilfen und Soforthilfen abgerufen. Und fast jedes zweite, das Soforthilfen beantragt hat, ist ein junges Unternehmen, das noch keine zehn Jahre am Markt ist. Und wir unterstützen diese Unternehmen auch mit ganz speziellen Gründerprogrammen. Damit wir weiterhin Ökonomie und Ökologie zusammenzubringen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und die Welt von morgen mitzugestalten – sei es in der Mobilität, der Gesundheit oder der Industrie 4.0.“
Die Rekordzahl von 619 Bewerbungen in der aktuellen Wettbewerbsrunde zeigt, dass der unternehmerische Nachwuchs nach vorne drängt. Gemeinsam mit Edith Weymayr, der Vorsitzenden des Vorstands der L‑Bank, ehrte Kretschmann die zehn Finalisten des Landespreises 2020. Dabei ging der mit 40.000 Euro dotierte erste Platz an die comemso GmbH aus Ostfildern. Mit seinem 2010 gegründeten Unternehmen für Prüf- und Messsysteme hat sich das Ehepaar Anita und Kiriakos Athanasas weltweit einen Namen auf dem Gebiet der Elektromobilität gemacht. Die technologisch führenden Testgeräte für Batterie-Steuergeräte und die Testsysteme für Ladestationen sind in der Automobil- und E-Mobilitätsbranche bestens etabliert.
Den mit 30.000 Euro verbundenen zweiten Platz gewann die SchoolCraft GmbH in St. Johann bei Reutlingen. Fabian Röken und sein Team stellen über eine selbst entwickelte Software interaktives Unterrichtsmaterial zur Verfügung. Der Clou: Es werden keine fertigen Module angeboten, sondern Inhalte und Werkzeuge, mit denen Lehrende selbstständig Vorlagen für den Unterricht erstellen können.
Der mit 20.000 Euro dotierte dritte Platz ging an die Arztpraxis im GeLo in Lorch im Ostalbkreis. Magdalena Hefele-Golubic verfolgt mit der Arztpraxis im GeLo eine klare Vision: Auch auf dem Land sollen die Menschen eine ärztliche Versorgung auf höchstem Niveau erhalten. Neben der Übernahme einer Praxis initiierte sie den Aufbau eines Gesundheitszentrums.
Für Weymayr unterstreicht der Landespreis 2020 einmal mehr die Vielfältigkeit und die regionale Breite des Gründertums in Baden-Württemberg: „Es gab spannende Projekte in den unterschiedlichsten Branchen von der Prüf- und Messtechnik bis zum medizinischen Bereich. Auch bei den jungen Unternehmen zeigt sich damit: Vielfalt ist Trumpf in Baden-Württemberg. Im Handwerk ebenso wie in der Industrie, dem Handel, bei den Hotels und der Gastronomie oder den Dienstleistungen. Und für die gute regionale Streuung sind wir ja ohnehin bekannt: Der ländliche Raum erwirtschaftet mehr als ein Viertel der gesamten Bruttowertschöpfung Baden-Württembergs.“ Besonders zuversichtlich macht Weymayr die Herangehensweise vieler Gründerinnen und Gründer: „Sie wollen nicht möglichst schnell an die Börse und streben keinen kurzfristigen Exit an. Ihre Motivation sind die Freiräume und die Gestaltungsmöglichkeiten, die ein eigenes Unternehmen bietet. Ihre Zielsetzung ist es, ein ambitioniertes mittelständisches Unternehmen aufzubauen. So wie es unsere Landespreisträger getan haben.“
Die weiteren Top-10-Unternehmen in alphabetischer Reihenfolge
GEBHARDT Intralogistics Group (Sinsheim), HB Brett Holzbau KGKommanditgesellschaft (Kehl), HomeBrace Germany UGUnternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) (Urbach), Lederei (Bad Waldsee), mts Maschinenbau GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung (Mengen), Rokla GmbH (Langenburg), Ziegenhütte Zollernalb (Harthausen).
Der Landespreis
Der Landespreis für junge Unternehmen wurde 2020 bereits zum dreizehnten Mal vergeben. Schirmherr des Wettbewerbs, der alle zwei Jahre gemeinsam von der Landesregierung und der L‑Bank ausgeschrieben wird, ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Preis ehrt Persönlichkeiten, die in den letzten zehn Jahren ihr Unternehmen nicht nur gegründet oder übernommen und es wirtschaftlich erfolgreich entwickelt haben, sondern die sich auch darüber hinaus einsetzen. Dabei rückt die Auszeichnung besonders die Leistungsstärke, Modernität und Kreativität junger baden-württembergischer Unternehmer – aber auch deren soziales oder ökologisches Engagement in den Mittelpunkt. Gesucht wurden Firmen, die durch verantwortungsbewusstes Handeln einen vorbildhaften Beitrag zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft leisten. Zugelassen waren Unternehmen aus sämtlichen Branchen – aus Industrie, Handwerk, Handel und dem Dienstleistungssektor sowie aus Vertreterinnen und Vertretern der freien Berufe, die nach dem 01.01.2007 gegründet oder übernommen wurden. Der Landespreis für junge Unternehmen zählt zu den renommiertesten und teilnahmestärksten Unternehmerpreisen in ganz Deutschland. Insgesamt haben sich in der Geschichte des Landespreises mehr als 6.000 Betriebe um die Auszeichnung beworben.
Ihr Ansprechpartner bei der L‑Bank:
Detlef Grabowski, Tel. 0721 150-1333, detlef.grabowski@l-bank.de
Ihr Ansprechpartner im Staatsministerium:
Christoph Neethen, Tel. 0711 2153-310, christoph.neethen@stm.bwl.de
Weitere Informationen & Pressefotos unter www.landespreis-bw.de.
Dort finden Sie auch ausführliche Portraits der zehn ausgezeichneten Unternehmen.
Pressebilder von der Preisverleihung stehen im Laufe des Abends am 15.Juli unter www.l-bank.info zum Download bereit.
Twitter-Hashtag: #landespreis
Die Preisträger
- Erster Landespreisträger
comemso GmbH, Ostfildern, www.comemso.com
- Zweiter Landespreisträger
SchoolCraft GmbH, St. Johann, www.getschoolcraft.com
- Dritter Landespreisträger
Arztpraxis im GeLo, Lorch, www.praxis-hefele.de
Die weiteren sieben Top-10-Unternehmen in alphabetischer Reihenfolge
- GEBHARDT Intralogistics Group, Sinsheim, www.gebhardt-foerdertechnik.de
- HB Brett Holzbau KG, Kehl, www.brett-holzbau.de
- HomeBrace Germany UG, Urbach, www.homebrace.com
- Lederei, Bad Waldsee, www.lederei-waldsee.de
- mts Maschinenbau GmbH, Mengen, www.mts-systems.com
- Rokla GmbH, Langenburg, www.rock.zone
- Ziegenhütte Zollernalb, Harthausen, www.ziegenhuette.de
Kurzvorstellung der Unternehmen in alphabetischer Reihenfolge
„Ich trage mein Herz auf der Zunge“
Arztpraxis im GeLo in Lorch/ Ostalbkreis
Allgemeinmedizinerin im ländlichen Raum: Für Dr. Magdalena Hefele-Golubic gibt es nichts Schöneres. „Ein toller Beruf“, schwärmt sie und zählt die Vorteile auf. Dazu gehören für sie die Vielfalt der medizinischen Themen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die großartige Möglichkeit, sich in viele Richtungen weiterzubilden. Aber auch den Kontakt zu den Menschen, die sie über Jahre begleitet und unterstützt hat, will sie nicht missen. „Für manche gehöre ich schon zum erweiterten Familienkreis“, schmunzelt die Hausärztin und erzählt, wie sie als gebürtige Ravensburgerin nach Lorch kam, einer Stadt im Remstal mit etwa 11.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Schon vor ihrem Umzug hatte Hefele-Golubic „Land- und Praxisluft“ im Rahmen ihrer Ausbildung in Plüderhausen bei Schorndorf schnuppern können. „Das hat mir richtig gut gefallen“, erzählt sie. „Vor allem hat man in einer Praxis sehr viel mehr Freiheiten als in einer Klinik.“ Als die Ärztin schließlich ihren Mann kennenlernte, der in der Region Aalen lebte, stand für sie außer Frage, dass sie dort in der Nähe arbeiten wollte. Sie übernahm 2016 als junge Mutter eine in Lorch bestehende Hausarztpraxis und baute zusammen mit ihrem Mann ein Haus. „Schon immer habe ich jede Menge Energie in mir gespürt. Als Kind habe ich beispielsweise so lange gedrängelt, bis ich ein Jahr vorzeitig in die Schule gehen durfte.“
Und so gab sie sich auch in Lorch nicht mit dem Status quo zufrieden. Die Räumlichkeiten ihrer Praxis entsprachen nicht ganz ihren Vorstellungen. Die heute 38-Jährige entwickelte einen Plan für ein Ärztehaus und begann, für diese Idee zu werben. Anfänglich stieß sie auf Skepsis: „Menschen für Veränderungen zu gewinnen, ist nicht leicht“, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Wie ist es ihr dennoch gelungen? „Ich habe mein Herz auf der Zunge und sage in einfachen Worten das, was ich denke.“ Und „als eigentlich gar nicht diplomatisch“ empfindet sie sich. Doch beim Werben für das GeLo, dessen Name sich aus Gesundheitszentrum Lorch ableitet, habe sie von diesem Prinzip eine Ausnahme machen müssen.
Sie habe mangels konkreter Erfahrungen den Bau des familiären Eigenheims als Blaupause für die Planung genommen, um Bauzeit und Bauplanung entsprechend schätzen zu können. Auch die Bedarfsermittlung nahm sie eher hemdsärmelig vor: „Ich fragte einfach einige Gesundheitsdienstleister, ob sie mittun würden und wie viele Quadratmeter sie bräuchten.“ Der Investor war von so viel Schaffensfreude überzeugt und erstellte aus diesen Angaben mit Hilfe eines Architekten und einer Bank ein tragfähiges Finanzierungskonzept. 2017 zogen dann Gesundheitsdienstleister wie Ärzte, Physiotherapeuten und eine Apotheke in das GeLo ein.
Doch aus dem Wunsch nach besseren Räumen war bei Hefele-Golubic mittlerweile eine größere Idee erwachsen. „Die Patienten fahren oft eine Stunde und länger zu uns. Deshalb werden oft Termine bei verschiedenen GeLo-Gesundheitsdienstleistern an einem Tag gemacht. Danach lösen die Patienten in der GeLo-Apotheke die Rezepte ein“, erläutert sie die Vorteile des Gesundheitszentrums. Dadurch werden nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch die Fahrdienste von Kindern, Nachbarinnen und ehrenamtlich engagierten Personen entlastet. „Ich finde, dass unser Projekt eine Blaupause auch für andere Regionen sein kann.“
Der Bedarf ist im Lorcher Einzugsgebiet ohne Zweifel da, denn viele Hausarztpraxen müssen mangels Nachfolgerschaft schließen. Und Hefele-Golubic hat zahlreiche Anfragen, Patienten dieser aufgegebenen Praxen zu übernehmen. „Aber sogar ich kann mich nicht klonen“, seufzt sie augenzwinkernd. Dennoch versucht sie, den wachsenden Bedarf durch kluge Praxisorganisation aufzufangen: So hat die Praxis von Montag bis Freitag elf Stunden lang durchgehend geöffnet. Um Patientinnen und Patienten lange Anfahrtswege zu ersparen, bietet sie Videosprechstunden an und beschäftigt zwei medizinische Fachangestellte mit Sonderausbildung, die in ihrem Auftrag Hausbesuche übernehmen.
Dem Wachstum steht der Personalmangel entgegen: Es gibt trotz aller Vorteile im ländlichen Raum zu wenig medizinisches Fachpersonal. Hefele-Golubic nimmt diese Situation dennoch nicht einfach hin, sondern tut alles, um Abhilfe zu schaffen. Als Lehrpraxis der Universität Tübingen gibt sie jungen Studierenden Einblicke in die allgemeinmedizinische Arbeit und hofft, einige von ihnen für eine spätere Tätigkeit in ihrer Praxis zu gewinnen. Darüber hinaus bildet sie medizinische Fachangestellte aus.
Doch für sie ist Quantität in der Medizin nicht alles. „Mir liegt vor allem eine sehr gute Qualität der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum am Herzen.“ Deshalb bildet sie sich und ihr mittlerweile achtköpfiges Team beispielsweise im Bereich der Naturheilverfahren weiter. „Ohne mein engagiertes Team wäre das alles natürlich nicht möglich.“ Das zeigte sich einmal mehr in der akuten Phase der Corona-Krise, als die Hälfte ihrer Beschäftigten beim Schorndorfer Krankenhaus in der Notaufnahme aushalf, um das Krankenhauspersonal zu entlasten.
Auch wenn Hefele-Golubic von Natur aus mit viel Energie ausgestattet ist, ist diese selbstverständlich nicht unerschöpflich. „Meine beiden Männer zu Hause stehen zum Glück voll hinter mir“, freut sie sich über die familiäre Unterstützung von Mann und Sohn. Ihr Mann arbeitet in einem anderen Bereich als sie, was die Ärztin zu schätzen weiß. „Er hat oft einen ganz neuen Blick auf die Dinge, was ich als sehr wohltuend und hilfreich empfinde.“ Von ihren Eltern habe sie „Flügel fürs Leben“ bekommen, weshalb Hefele-Golubic auch andere beflügeln möchte. „Aktuell werbe ich für eine Erweiterung des Gesundheitszentrums Lorch“, verrät sie. Mit einer Wette, dass ihr dieses Vorhaben gelingen wird, geht man wohl kein großes Risiko ein.
„Wir haben Dinge erreicht, von denen wir nicht mal geträumt haben“
comemso GmbH in Ostfildern
Wenn es um Prognosen geht, wie sich die Elektromobilität in Deutschland entwickeln wird, stellt sich die Frage nach der Verfügbarkeit von Ladestationen. Denn selbst ausgeprägten E-Auto-Fans graust es bei der Vorstellung, bei verringerter Reichweite – im Vergleich zu klassischen Autos – ohne Lademöglichkeit liegen zu bleiben.
Wo andere Probleme sahen, baute das Ingenieurspaar Kiriakos und Anita Athanasas seit 2010 in Ostfildern Lösungen: „Mit unserer ersten Entwicklung werden die Reichweite, Sicherheit und Langlebigkeit von Elektrofahrzeug-Batterien optimiert und sichergestellt. Eine Batterie hat ein überwachendes Batterie-Steuergerät, welches wiederum gut getestet werden muss. Genau das leistet unser Batteriezellen-Simulator“, erläutert Gründer Dr.-Ing. Kiriakos Athanasas. Doch bis das realisiert wurde, hatte das Paar einen einjährigen Härtetest zu überstehen: „Wir wollten im Januar 2010 mit Testsystemen für den Bereich Fahrerassistenz-Systeme starten. Doch bis Ende 2010 waren alle Projekte, die wir eingeplant hatten, wegen der Finanzkrise auf ‚Hold‘ gesetzt“, so Athanasas. Erst kurz vor Weihnachten gab es einen Lichtblick: Ein Ingenieur eines Automobilunternehmens beauftragte das Unternehmen, ein Testgerät für Batterie-Steuergeräte in Elektrofahrzeugen zu entwickeln. Nach der Präsentation im Januar 2011 mussten die Geräte bis April fertiggestellt und ausgeliefert werden: „Der Ingenieur erklärte uns, unser Prototyp sei besser als alles, was sich damals auf dem Markt befand“, ist die heute 37-jährige Anita Athanasas stolz.
Das war der Start einer fulminanten Unternehmensentwicklung. Noch immer bilden Testgeräte für Batterie-Steuergeräte eine wichtige Produktfamilie von comemso. "Den technischen Vorsprung haben wir verteidigt, denn inzwischen gibt es unser Testgerät in achter Generation", so Anita Athanasas. Ab 2011 kam eine zweite Produktfamilie hinzu. Mit ihr lassen sich Ladevorgänge testen. 2017 betrat das Unternehmen ein weiteres Mal Neuland, als es zum ersten Mal ein Testgerät entwickelte, das ausdrücklich nicht von Ingenieuren, sondern von Servicetechnikern bedient werden kann. Die mobilen Ladestationstester können die Funktionen an den Ladestationen prüfen und Hinweise zur Fehlerbehebung geben.
Zu Beginn arbeitete das Gründerpaar in den eigenen vier Wänden. Doch auch als zusätzliche umliegende Raumkapazitäten zugekauft wurden, erwiesen sich diese schnell als zu gering. So investierten die beiden zehn Millionen Euro in ein neues Forschungs- und Entwicklungsgebäude. Etwa zehn Jahre nach der Gründung, Mitte 2020, wurde es bezogen. Anita Athanasas fragte ihren Mann bewegt: "Hättest du das gedacht, als wir angefangen haben?" Und ihr Mann schüttelte nur den Kopf, beide haben Tränen in den Augen. Man spürt bei den Gründern Dankbarkeit und Stolz zugleich. Das Unternehmen ist ihr Lebenswerk. Heute befindet sich selbstverständlich auch ihre Wohnung auf dem Betriebsgelände: "Wir leben comemso!"
Über 100 Beschäftigte finden momentan Platz in den neuen Räumen. Für das gewünschte Wachstum gibt es noch freie Flächen. "Der Neubau sollte die nächsten fünf Jahre reichen", meint das Unternehmerpaar augenzwinkernd. "Elektromobilität ist natürlich seit Jahren ein Trend und ein dynamischer Wachstumsmarkt", so Kiriakos Athanasas. "Und wir wachsen mit." Sie sind froh, alle Herausforderungen gemeinsam anpacken zu können. Während sie die Vertriebsleitung übernommen hat, koordiniert er die Teamleitungen. Strategien für die Produktentwicklung und Investitionen werden gemeinsam festgelegt.
Die meisten Wochenenden investiert das Ehepaar in das Unternehmen. Sieht man von zwei Wochen Weihnachtspause ab, liegt der letzte Urlaub des Gründerpaares dreizehn Jahre zurück. "Wer gerne Urlaub macht, sollte besser kein Unternehmen gründen", so die Ingenieurin lachend. Doch auch die freien Tage stehen ganz im Zeichen des gemeinsamen Unternehmens: "Wenn wir eine Woche ausgeruht haben, dann sprudeln die Ideen in der zweiten Woche." Diese werden dann im neuen Jahr dem Team wie ein verspätetes Weihnachtsgeschenk präsentiert: "Die Mitarbeiter wissen schon, dass wir mit einem Sack voller Ideen aus den Weihnachtsferien zurückkommen."
Der Erfolg treibt sie an, was wiederum weitere Herausforderungen nach sich ziehe: "Wie bei einem Marathonläufer gibt es kein Ausruhen: Es geht immer weiter." Ob es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht manchmal zu viel wird mit der Dynamik? Anita Athanasas schüttelt energisch den Kopf. Das Gefühl, etwas bewirken und neue Ideen umsetzen zu können, gefällt auch dem Team. "Jüngst kam ein ehemaliger Student zurück ins Unternehmen, der im Rahmen des Studiums bereits bei comemso gejobbt hat", erzählt sie. Er hatte noch im Kopf, an welchen Ideen und Projekten damals gearbeitet wurde. "Das ist ja der Wahnsinn", habe er gesagt. "Ihr habt alles umgesetzt!"
Die Wirtschaft sieht Kiriakos Athanasas im Umbruch. "Die E-Mobilität wird sich beim Automobil durchsetzen", ist der Geschäftsführer überzeugt. Bei LKWs und Bussen, sagt er, habe zudem der Wasserstoffantrieb eine gute Chance. "Aber auch dort gibt es Batterien und damit für uns zu tun." Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden auch in Zukunft bei comemso eine gute Perspektive haben. "Aber vielleicht werden wir weniger Absolventen aus dem Maschinenbau benötigen", glaubt Anita Athanasas. "Dafür wird es mehr Personalbedarf im Bereich Elektrotechnik und Software geben."
So oder so: Dynamisch bleibt es auf jeden Fall und vor Herausforderungen haben die beiden keine Furcht, denn schließlich hätten sie mitten in der Krise gegründet und es trotzdem geschafft. Sie sind überzeugt, dass circa alle zehn Jahre mit einer Wirtschaftskrise zu rechnen ist. "Und jede Krise ist Veränderung und damit auch eine neue Chance! Wenn wir heute einen Start für eine Unternehmensgründung nochmals wählen müssten, wäre es erneut genau in solch einer Situation – so hat man Gelegenheit, sein Unternehmen aufzubauen und auf ein stabiles Fundament zu stellen."
"Wir sind ein Familienunternehmen!"
GEBHARDT Intralogistics Group in Sinsheim
Manche brauchen länger, bis sie sich entschließen, die Firma ihrer Eltern zu übernehmen. Oft orientieren sie sich vor einem Eintritt erst bei anderen Unternehmen, manchmal sogar in anderen Berufen. "Das hätte für mich keinen Sinn gemacht", ist Marco Gebhardt im Rückblick überzeugt. Für ihn war bereits mit dem Abitur klar, dass er die von seinem Großvater gegründete GEBHARDT Intralogistics Group in Sinsheim in der dritten Generation leiten wollte. Das Unternehmen bietet Lösungen für innerbetriebliche logistische Prozesse, wie zum Beispiel den Materialfluss und dessen Optimierung.
Was ihn an der Übernahme gereizt hat? "Ich wollte das Maschinenbauunternehmen zu einem Technologieanbieter für die moderne Intralogistik ausbauen", so Gebhardts Vision. Nach seinem Abschluss als Wirtschaftsingenieur an der Technischen Universität Kaiserslautern und der University of California at Berkeley trat er 2009 in die Firma und 2011 in die Geschäftsführung ein und begann seinen Plan umzusetzen.
Gebhardt erkannte, dass umfassende Lösungen, die sowohl spezifischen Anforderungen genügen als auch in verschiedenen Branchen einsetzbar sind, entscheidende Wettbewerbsvorteile bedeuten. Zugleich ging es ihm darum, die Möglichkeiten der neuen Technologien auszuschöpfen. So sind die Fernwartung über das Internet und der Einsatz von Datenbrillen ebenso Standard wie der Einsatz von 3-D-Modellen und die Verwertung von Echtzeitdaten. Ein weiteres Thema, das sich Gebhardt auf die Agenda gesetzt hat, ist die Internationalisierung mit sieben Standorten in Europa und in den USA. Der Erfolg des Veränderungsprozesses: "Aus einer Hand entwickeln und bauen wir heute die Maschinen und Steuerungssysteme bis hin zur passenden Software."
Die Entwicklung vom klassischen Maschinenbauer zum Technologieanbieter erforderte zahlreiche Schritte. "Diese Innovationen brauchten viele Hände." Unverzichtbar, betont Gebhardt, war und ist sein Vater, der nach wie vor mit seiner Erfahrung einen wichtigen Beitrag leistet. Gebhardt sieht die Erfolge der letzten Jahre deshalb als Teamwork, an denen er selbst, sein Vater und die gesamte Belegschaft beteiligt waren. "Wir sind ein Familienunternehmen", so Gebhardt. "Und zur erweiterten Familie zählen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter." Zu diesem Verständnis von Familienunternehmen gehört für ihn auch die intensive Nachwuchsförderung. Bei knapp 600 Beschäftigten finden 75 Jugendliche einen Ausbildungsplatz oder werden im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg für den Beruf fit gemacht. 40 Prozent der Belegschaft sind unter 30 Jahre alt und davon zu 90 Prozent aus der internen Ausbildung.
Sinsheim ist wegen der guten Anbindung, der Offenheit für technologische Neuerungen, vor allem aber auch wegen der Nähe zu renommierten Universitäten aus Gebhardts Sicht ein idealer Standort. "Wir haben bereits drei Start-ups mit Absolventen von Hochschulen der Region gegründet", berichtet er stolz. Eines davon wurde mit Abgängern des KIT gegründet und bietet Lösungen für autonome Roboter zum innerbetrieblichen Material- und Warentransport, die in der Logistik eine immer größere Rolle spielen werden.
Als Chef ist für Marco Gebhardt eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Privatleben nicht immer möglich. "Ich arbeite zwar selten zu Hause." Aber der Betrieb beherrscht manchmal auch im Privatleben die Gedanken. Und hin und wieder notiert er sich eine Idee, die ihm zu Hause spontan kommt. "Was ich besonders an meiner Arbeit schätze ist, dass sie eine gewisse Flexibilität bietet und ich zum Beispiel auch Zeit habe, meine Tochter zur Kita zu bringen oder dort abzuholen." Reift hier schon die vierte Generation heran? "Sie ist ein Weltraum- und Raketenfan", schmunzelt er. "Das ist schon mal ein gutes Zeichen."
www.gebhardt-foerdertechnik.de
"Mit jedem Projekt lernen wir wieder neu hinzu"
HB Brett Holzbau in Kehl bei Offenburg
Die Qualität eines Unternehmens zeigt sich oft in der Krise: Kann es die Schwierigkeiten überwinden, geht es meist gestärkt aus ihr hervor und gewinnt für die Zukunft neue Perspektiven. So auch bei der HB Brett Holzbau in Kehl bei Offenburg. Nach dem Tod von Heiner Brett, der die Firma zusammen mit seiner Frau Jacqueline seit 1989 führte, stand die Familie vor der Frage, ob das Unternehmen verkauft oder neu gegründet werden sollte. "Angesichts dieser Krise rückte die Familie noch enger als vorher zusammen", erinnert sich Jacqueline Brett. Gemeinsam mit ihren Kindern Joshua, Yves und Jil sowie ihrem Schwiegersohn Simon musste sie entscheiden, wie es weitergeht.
Das Unternehmen war vor der Neugründung eine Zimmerei. Doch der Verstorbene hatte bereits Pläne und Modelle für den Modulbau von Holzhäusern entwickelt. Die Familie entschied sich, diese umzusetzen. Die Idee klingt einleuchtend: Der Bau der Holzhäuser sollte nicht mehr auf der Baustelle unter manchmal ungünstigen Witterungsbedingungen und unter immer anderen Voraussetzungen stattfinden. Vielmehr sollten in einer Fertigungshalle Module – die "Brettboxen"– inklusive Fenster, Elektrik und Anstrich hergestellt werden. "Die professionelle und übersichtliche Arbeitsumgebung in der Fertigungshalle sorgt im Ergebnis für mehr Qualität", erläutert die Inhaberin. Auf diese Weise kann – angefangen von einer einfachen Sauna bis hin zum Mehrfamilienhaus – alles fertig erstellt und dann auf der Baustelle in wenigen Tagen montiert werden. "Die deutlich verkürzte Baustellentätigkeit ist natürlich ein weiterer Vorteil für unsere Kunden."
Doch bis es soweit war, bedurfte es eines wahren Kraftaktes. Der jüngste Sohn Joshua unterbrach zunächst für ein Jahr sein Studium, um im Betrieb mitzuhelfen. Er absolvierte danach ein Ingenieursstudium, um dann wieder ins Unternehmen einzusteigen. Auch alle anderen Familienmitglieder arbeiteten mit und stemmten so unter anderem den Bau der Halle, in der die Module montiert werden sollten. Neue Maschinen mussten angeschafft und die Beschäftigten fortgebildet werden. Über allen Mühen schwebte stets die Frage: Würde der Markt das neue Konzept annehmen? "Natürlich konnten wir das nicht wissen", konstatiert Jacqueline Brett. "Ein Stück weit hat uns die Anstrengung aber auf jeden Fall geholfen, den Tod meines Mannes zu verarbeiten."
Die Unternehmerin erinnert sich, wie sie und die Familie das Konzept auf einer Verbraucherausstellung zum ersten Mal Interessenten vorstellten. "Einer von ihnen bestellte sofort zehn Module, was uns natürlich sehr froh machte." Bald gab es weitere Bestellungen. Und so wurde klar, dass der Durchbruch gelungen war.
Die Kundschaft weiß die persönliche Betreuung und die besondere Arbeitsweise zu schätzen. So werden die Aufträge von der Familie und mittlerweile zehn Beschäftigten nacheinander und niemals parallel bearbeitet. "Kunden haben bei uns immer die gleichen Ansprechpartner. Sie können uns auch besuchen, um den Fortgang der Arbeiten zu verfolgen." Viele Abnehmer freuen sich über die Nachhaltigkeit der Produktion: Das Holz stammt aus dem Schwarzwald und wird von einer nahegelegenen Sägerei bearbeitet. Das garantiert kurze und umweltschonende Wege. Auch die meiste Kundschaft hat nur einen kurzen Anfahrtsweg, da sie aus der Region kommt. Die hohen Investitionen für die innovative Produktionsweise wurden innerhalb kurzer Zeit mit einer Vervierfachung des Umsatzes belohnt.
Der Erfolg sprach und spricht sich herum und sorgt dafür, dass das Auftragsbuch voll ist. Dennoch sieht Jacqueline Brett Grenzen des Wachstums: "Ich kann mir vorstellen, dass wir eines Tages 25 Beschäftigte haben werden – aber nicht mehr." Wenn sie heute zurückblickt, ist sie glücklich über den Zusammenhalt der Familie. Dankbar ist sie auch für die Hilfestellungen der Behörden, die für die neue Halle eine schnelle Genehmigung erteilten und es so möglich machten, dass diese innerhalb eines halben Jahres fertiggestellt werden konnte. Nach anstrengenden Jahren mit langen Arbeitstagen auch an den Wochenenden können die Familienmitglieder langsam wieder in den Alltag finden. "Tatsächlich gönnen wir uns endlich kleine Urlaube", freut sich die Unternehmerin. Doch auch wenn die Krise vorbei ist, sind sie noch lange nicht am Ziel. "Mit jedem Projekt lernen wir wieder neu hinzu."
"Wenn uns jemand ruft, sind wir die letzte Möglichkeit"
HomeBrace Germany in Urbach/ Remstal
"Wer in der Gesundheitswirtschaft bestehen will", ist Thomas Rosners Überzeugung, "muss sich da schon sehr intensiv reinarbeiten." Das gilt insbesondere für einen Quereinsteiger wie ihn. Zwar war der heute 46-Jährige schon in seiner Jugend software-affin. Die Eltern wollten allerdings, dass er "etwas Ordentliches" lernt. Und so absolvierte er eine Schreinerausbildung und machte seinen Meister. Auch hier konnte er seinem IT-Faible nachgehen und galt schnell als gefragter Spezialist für den handwerklichen Einsatz von CNC-Maschinen.
Doch als 2009 seine Tochter mit einer schweren Behinderung auf die Welt kam, änderte sich für ihn vieles. "Ich hängte meinen Beruf an den Nagel", erzählt Rosner. Fortan widmete er sich mit aller Kraft der Frage: "Wie kann man die Mobilität und Selbstständigkeit von Menschen, die von Muskelerkrankungen wie ALS, also amyotropher Lateralsklerose, von Multipler Sklerose, Muskeldystrophie oder von Spastiken betroffen sind, einfacher gestalten?"
Im Kontakt mit Sanitätshäusern suchte er nach Möglichkeiten, das Leben seiner Tochter zu verbessern. Er entwickelte eine Software mit einer Schnittstelle zu vorhandenen Rollstuhlsteuerungen, um zusätzliche Funktionen zu Hause nutzen zu können. "So können Nutzer zum Beispiel selbstständig das Licht an- und ausschalten."
2012 gründete Rosner schließlich in Urbach sein Unternehmen HomeBrace und bietet heute eine breite Produktpalette, die es Patientinnen und Patienten erlaubt, mit Kinn- und Kopfbewegungen oder mit Saugen und Blasen sowie per Sprachsteuerung ihren Rollstuhl zu steuern und Geräte zu bedienen. Eine wichtige Innovation entwickelte die junge Firma aus der Augensteuerung: "Hier haben wir ein weltweit einzigartiges Produkt geschaffen!", erklärt Rosner. Alle Funktionen können per Augenbewegung bedient werden. "Das klingt einfacher als es ist, denn eine solche Brille muss sowohl in Innenräumen als auch bei Sonnenlicht und bei allen Sehstärken und mit jeder Gesichtsergonomie funktionieren", erläutert der Gründer. Wichtig ist bei der Produktentwicklung auch, dass die technische Bedienung sehr einfach zu verstehen und durchzuführen ist, da die Assistenten der Patienten in der Regel nicht technisch ausgebildet sind. Ein aus Sicht der Krankenkassen wesentlicher Vorteil der HomeBrace-Brille besteht darin, dass nicht mehr benötigte Brillen nach einer technischen Überholung und Neueinstellung von anderen Patientinnen und Patienten genutzt werden können. „Mit dem Brillengestell haben wir sogar einen Design-Award gewonnen“, ist Rosner stolz.
Innovative Produkte sind das eine. Wie aber schafft man es, daraus ein erfolgreiches Unternehmen zu etablieren? Intensiv machte sich der IT-Spezialist vor seiner Gründung mit den Gesetzen und Vorschriften des Gesundheitsbereiches vertraut. Das dauerte: "Als Autodidakt verstand ich oft erst mal gar nicht, wovon überhaupt die Rede war." Doch Rosner blieb hartnäckig, entwickelte die ersten Angebote und fand schließlich Kundschaft. Die Anlaufkosten finanzierte er mit einem Darlehen der Volksbank Backnang, die mit ihm in den folgenden Jahren "durch alle Höhen und Tiefen" ging. "Wobei es an Tiefen nicht mangelte, an Höhen dagegen schon", schmunzelt der heute erfolgreiche Gründer in der Nachschau. "Da kommt man schon mal ins Grübeln, wenn man Tag und Nacht arbeitet und es geht scheinbar nichts voran."
Nach sechs Jahren hatte der Familienvater langsam das Gefühl, über den Berg zu sein. "Das Interesse an unseren Produkten wurde immer größer und bald auch die Nachfrage." 13 Beschäftigte konnte Rosner bisher einstellen - und er sucht händeringend weitere. Sein Team empfindet er als "hoch motiviert", was auch an der Kundschaft liegt, für die die Produkte gedacht sind. "Jeder in der Firma kann dazu beitragen, dass die Patienten so weit wie möglich ein erfülltes Leben führen können." Zudem pflegt er einen Führungsstil mit vielen Freiheiten. "Jeder darf in seiner persönlichen Zeitzone arbeiten – da habe ich großes Vertrauen."
Rosner mangelt es nicht an Plänen für die Zukunft. Technisch beschäftigt er sich momentan mit dem Einsatz von Kameras für das Rollstuhl-Rückwärtsfahren. Auch die Entwicklung eines Roboterarmes hat der Gründer langfristig im Blick. Schließlich gibt es für ihn noch weitere Anwendungsmöglichkeiten außerhalb der Gesundheitswirtschaft, zum Beispiel die Blicksteuerung bei Sortier- und Kommissionier-Arbeiten im Lagerwesen. Da die aktuellen Räumlichkeiten in Urbach inzwischen zu klein sind, hofft er, in den nächsten Jahren in ein eigenes Firmengebäude umziehen zu können.
Privat ist Schreinern sein Hobby geblieben, dem er gemeinsam mit einem Freund aus der Schulzeit nachgeht. "Aber das ist sehr zeitaufwendig. Ich komme kaum dazu." Ansonsten widmet sich der Familienvater seinen beiden Kindern, die elf und 13 Jahre alt sind, und verbringt Zeit in der Natur. Die meiste Energie steckt er ins Unternehmen. Denn: "Für mich und mein Team ist das weit mehr als nur ein Job."
"Selbstständigkeit war für mich der einzige Weg"
Lederei in Bad Waldsee
Schon Maikel Auers Vater hatte ein großes handwerkliches Geschick. Das hat er seinem Sohn in die Wiege gelegt und weitergegeben. "Ich arbeite mich in handwerkliche Aufgaben sehr schnell ein", erzählt Auer. Deshalb wurde er Orthopädieschuhmacher, stellte aber fest, dass er zwar handwerklich arbeiten, aber seine Kreativität nicht so einsetzen konnte, wie er es gerne wollte. Vor allem dem Leder galt seine Leidenschaft: "Kaum ein Material ist so facettenreich", schwärmt der heute 39-Jährige beim Rundgang durch seine Ledermanufaktur, die er treffend "Lederei" getauft hat. "Leder ist in vielerlei Hinsicht formbar, man kann unterschiedlichste Produkte wie Schuhe, Taschen oder Gürtel daraus machen."
Doch wie kam es nun vom Orthopädieschuhmacher zum eigenen Unternehmen? Dazu muss man wissen, dass Auer seit langer Zeit Mitglied einer Narrenzunft ist. 2006 suchte diese Zunft händeringend jemanden, der einen historischen Schuh anfertigen konnte. Auer erkannte die Chance, kreativ mit seinem Lieblingsmaterial zu arbeiten. Intensiv arbeitete er sich in die Materie ein. "Es gibt alte Überlieferungen, wie früher Brauchtumsbekleidung und Schuhe hergestellt wurden", erzählt der Handwerker. Schnell hatte er sich den Grundstock einer Bibliothek zu diesem Thema zusammengestellt, die er im Laufe der Zeit immer mehr erweiterte. Als sehr wichtig erwiesen sich auch Gespräche mit mehreren Schuhmachern im Ruhestand, die ihm nicht nur wichtige Erfahrungen mitgaben: "Die haben mir sogar Spezialwerkzeuge geschenkt."
Schließlich produzierte er die Schuhe, die aus Holz bestehen und mit Fell verziert sind. Die Zunftkolleginnen und -kollegen waren von diesen Fellholzschuhen begeistert. Schnell kam es zu Folgeaufträgen: "Die Zünfte sind untereinander sehr gut vernetzt", beschreibt Auer die weitere Entwicklung. Die Auftragslage war schon bald so gut, dass er und seine Frau Sandra, die damals noch mit ihrem Bruder einen Gastronomie- und Hotelbetrieb führte, vor die Wahl gestellt wurden: den Nebenerwerb reduzieren oder die feste Stelle als Orthopädieschuhmacher aufgeben. Beides ging nicht mehr, denn Auer arbeitete nicht selten nach seinem eigentlichen Feierabend noch bis Mitternacht in der Werkstatt an seinen Schuhen. "Was mich reizte, war, ein altes, ehrliches Handwerk mit neuen Ideen zu verknüpfen." Auer kündigte seinen Arbeitsplatz und machte die kreative Arbeit zu seinem Haupterwerb. "Ich habe mich für das Leder entschieden und es niemals bereut."
2010 startete der junge Unternehmer in einem 40-Quadratmeter-Laden, der gleichzeitig Werkstatt war. Schon im Nebenerwerb hatte er viel in Maschinen und Werkzeuge investiert, sodass der Start ohne große Investitionen vonstattengehen konnte. Auer bot Schuhreparaturen, Polsterarbeiten und seine bis weit über die Region bekannten Fellholzschuhe an. Darüber hinaus kreierte er neue Produktlinien wie Taschen, Gürtel und Wohnaccessoires aus Leder. Alles lief bestens: Schon im vierten Jahr konnte er jemanden anstellen. Seine Frau gab mit der Geburt der heute dreijährigen Tochter ihre Tätigkeit in der Gastronomie auf und arbeitet seitdem im Betrieb mit. "Ohne Rückhalt von der Familie geht so etwas nicht, das ist ganz klar", resümiert Auer. Sandra Auer verantwortet Verkauf, Vertrieb und Marketing. "So kann ich mich um die Produktion kümmern."
Ein wirklicher Sprung gelang 2017 mit der Integration der Holzsohlenherstellung für seine Fellholzschuhe. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Holzsohlen von einem alteingesessenen Betrieb aus dem Schwarzwald hergestellt. Als dieser aufgegeben wurde, kam ihm die Idee, die Produktion selbst zu übernehmen. Zwei Wochen lang überlegten und rechneten die Auers. Dann holten sie mit zwei LKW die Maschinen ab. "Diese maschinelle Fertigung der Rohlinge war für uns ein völlig neues Thema", so Auer rückblickend. Die Integration in den Workflow dauerte bis 2019 – eine fordernde Aufgabe. Heute profitiert die Lederei von einem Alleinstellungsmerkmal: "Wir sind nun in der Lage, den Schuh vom Baumstamm bis zum fertigen Produkt bei uns direkt vor Ort herzustellen." Auer sucht manchmal das Holz selbst aus: "Vom Wald direkt an den Fuß", schmunzelt er. "Uns ist wichtig, dass wir nachhaltig und ökologisch produzieren."
2019 stand auch der Umzug in größere Räume an. Ein zweiter Angestellter kam hinzu. "Viel zu arbeiten, macht uns nichts aus, wenn das Ergebnis stimmt." Wichtig sind Auer vor allem der Spaß an der Arbeit und die freie Zeiteinteilung. Er empfiehlt allen Gründungswilligen, aus dem Nebenerwerb in die Selbstständigkeit zu starten. Nur so kann man seiner Ansicht nach ein Geschäftsmodell sicher testen, bevor man ins volle Risiko geht: "Handwerk hat zwar keinen goldenen, aber doch einen silbernen Boden."
Nüchtern sieht er auch die Schattenseiten, die gerade in der Corona-Pandemie in aller Schärfe zutage traten: "Wenn man den Laden sechs Wochen lang schließen muss, dann wird einem deutlich, dass man voll auf eigenes Risiko arbeitet." Drei Messen, über die er sonst viele Aufträge generieren konnte, wurden 2020 abgesagt. Auch der Online-Handel war in dieser Zeit keine Stütze: "Die Menschen haben in der ersten Krisenphase verständlicherweise das Geld zusammengehalten und kaum bestellt." Zusammen mit seiner Frau hat er die Zeit genutzt und eine Werbekampagne für Narrenzünfte entwickelt. Zudem hat die Lederei neue Eigenkreationen in Kleinserien produziert. Nun schaut er vorsichtig optimistisch in die Zukunft: "Wir sind mit eineinhalb blauen Augen davongekommen."
Momentan entwickelt der Unternehmer ein Baukastensystem für Maßschuhe. Alle sollen sich individuell "seinen" oder "ihren" Schuh aus verschiedenen Modellen, Formen und Farben zusammenstellen können. "Die Menschen wenden sich immer mehr von Massenprodukten ab und suchen das nachhaltig hergestellte Modell, das genau zu ihnen passt", ist Auers Überzeugung.
"Zahlen bilden nur einen Teil der Wirklichkeit ab"
mts Maschinebau GmbH in Mengen
"Es bleibt immer ein Abenteuer." Mit diesem einfachen Satz beschreibt Dr. Eckhard Laible seine Erfahrungen, die er mit der Übernahme der mts Maschinenbau GmbH in Mengen gemacht hat. Ein Wagnis, das heute von Erfolg gekrönt ist. "Aber als Selbstläufer kann man das nicht bezeichnen", ergänzt er. Was dem passionierten Jäger und Naturliebhaber, der vor der Übernahme bei verschiedenen Firmen leitende Positionen innehatte, gerade recht war. "Als Manager vermeidet man eher Risiken", so seine Erfahrung. "Als Unternehmer gehe ich gezielt kalkulierte Risiken ein." Gerade eine Übernahme will wohl durchdacht sein: "Das sind schon Summen, vor denen man Respekt hat. Aber ich bin grundsätzlich ein Optimist."
Die mts Maschinenbau konstruiert und produziert Ladungsträgersysteme für Automatisierungen. Bereits beim ersten Kontakt hatte Laible registriert, dass das 1996 gegründete Unternehmen Potenzial besitzt. Dieses konnte Laible durch Investitionen in Marketing und Vertrieb, eine verbesserte Organisation, aber auch durch technische Innovationen heben. "Damit haben wir das Ladevolumen in manchen Bereichen um 50 Prozent erhöht."
Wenn man bedenkt, dass Ferntransporte der Kunden oft viele Tage unterwegs sind, bis sie ihr Ziel erreicht haben, bedeutet die erhöhte Packungsdichte eine erhebliche Ersparnis für die Kundschaft von mts, die zu einem großen Teil aus dem Automobilsektor kommen. Durch einen Zweischichtbetrieb und umfangreiches Personalwachstum konnte der Unternehmer die Kapazitäten ausbauen und die Kundenbindung stärken.
Doch wie "macht" man das – eine erfolgreiche Übernahme? Laible und seine Frau Ines Kunz, mit der er zusammen das Unternehmen heute leitet, hatten bei früheren Verhandlungen bereits wertvolle Erfahrung gesammelt. Da er sich selbst als "eher kennzahlenorientiert" und "strategisch denkend" bezeichnet, lag es nahe, dass er die Zahlen zunächst auf Herz und Nieren prüfte, bis sich der Businessplan zu einem "Ja, ich will" rechnete. "Aber Zahlen bilden natürlich nur einen Teil der Wirklichkeit ab", beschreibt der heute 52-Jährige den Prozess. Ihm war bewusst, dass man eine Firma erst dann in all ihren Facetten wirklich kennenlernt, wenn man sie leitet.
"Mit dem Bewusstsein, dass es immer ein Restrisiko gibt, haben wir es schließlich getan", fasst er die Entscheidung zur Übernahme zusammen. Und vieles, das er zuvor bereits bedacht hatte, erwies sich als richtig. Zu Beginn entwickelte Laible gemeinsam mit den Führungskräften eine Veränderungsstrategie sowie Maßnahmen zur Umsetzung. "Im Nachhinein haben wir gesehen, dass wir 90 Prozent davon auch umsetzen konnten."
Einiges fügte sich sogar noch besser als gedacht. Laible traf auf ein sehr qualifiziertes und motiviertes Team. Der Chef vertraut seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Ihm genügt die morgendliche Runde und die Lagebesprechung einmal in der Woche – ansonsten gibt er den Führungskräften große Gestaltungsspielräume und forciert ihre Verbesserungsideen und Maßnahmen. Mit dieser Vorgehensweise hat er gute Erfahrungen gemacht.
Viele Themen bespricht Laible auch auf dem Weg zur Arbeit im Auto mit seiner Frau Ines, die im Unternehmen die kaufmännischen Themen und den Personalbereich verantwortet. "Die Fahrtzeit beträgt 90 Minuten – das ist jede Menge Zeit, in der wir vieles klären können." Ansonsten gehen beide gerne mit ihrem Hund in die Natur der Schwäbischen Alb.
Gibt es etwas, das Laible heute bei einer Übernahme anders angehen würde? "Ich würde schon bei der Bewertung des Unternehmens, das übernommen werden soll, intensiver mit den dortigen Mitarbeitern sprechen. Sie wissen oft viel mehr als das, was man selbst aus einem ausgeklügelten Zahlenwerk herauslesen kann."
"Wer groß rauskommen will, kümmert sich auch um Kleinigkeiten"
Rokla in Langenburg / Hohenlohe
Hämmern, Rammen, Sägen und Zerkleinern: Auf Baustellen geht es in der Regel nicht gerade leise zu. In der Folge sind die Menschen, die in der Nähe wohnen oder arbeiten, ob der Lautstärke oft genervt. Schon im Vorfeld suchen verantwortungsbewusste Bauverantwortliche deshalb nach Unternehmen, die den Lärmpegel möglichst niedrig halten und die Nerven der Nachbarschaft schonen.
"Unsere leisen Fräsen erfreuen sich deshalb großer Beliebtheit", erklärt Robert Piasecki, der sich 2013 mit Klaus Volkert selbstständig gemacht hat. Beide waren damals im gleichen internationalen Konzern tätig. Piasecki leitete einen Bereich des Sondermaschinenbaus, während Volkert auf Finanzen spezialisiert war. Ihre Vision: Die Welt leiser und besser machen.
"Das Thema Nachhaltigkeit wird mittlerweile von vielen besetzt", so Piasecki. "Wir aber leben das." Sie starteten mit vier Beschäftigten und boten eine Fräse an, mit der Materialien direkt auf der Baustelle zerkleinert werden konnten. Der Vorteil war nicht nur, dass der Einsatz lautstarker Hydraulikhämmer entfallen konnte. "Früher war es üblich, dass Materialien mit LKWs von der Baustelle zu Deponien verbracht, dort bearbeitet und dann wieder zurückgebracht wurden." Mit den Fräsen von Rokla wurde und wird dies vor Ort erledigt.
Beim Bau der eigenen Produktionshalle, die die Kapazitäten des Unternehmens verdreifacht hat, konnten sie diesen Effekt unmittelbar erleben: "Unsere Fräsen ersparten den Menschen im Ort und der Umwelt 400 LKW-Fahrten."
Und so ist es überall dort, wo Kanäle, Rohrleitungen und Tunnel gebaut, Gebäude abgebrochen und saniert oder Oberflächen bearbeitet werden: Die Baustellen sind leiser und verursachen weniger Transporte und CO₂Kohlenstoffdioxid-Abgase. "Der ökologische Fingerabdruck ist uns auch als Unternehmen sehr wichtig", betont Piasecki. Dazu gehören eine Aufbereitungsanalage für Wasser genauso wie zwei Bienenstöcke auf dem Betriebsgelände oder das firmeneigene Elektrofahrzeug. Die aktuelle Corona-Pandemie nutzte Piasecki und baute eine Photovoltaikanlage aufs Dach. Ein wichtiges Ziel für das ganze Rokla-Team: Das Unternehmen soll CO2-neutral sein.
Die seit Monaten eingeschränkte Reisetätigkeit hat Piasecki etwas häuslicher werden lassen – eine für ihn ungewohnte Situation. "Seit der Gründung war ich nonstop international auf Reisen", beschreibt er den Start ins Unternehmertum. Handelsbetriebe mussten besucht und persönlich von den Rokla-Produkten überzeugt werden. "Selbst der Urlaub mit der Familie war in den ersten Jahren stets mit Präsentationen bei Kunden und Händlern verbunden."
Der Gründer besuchte rund 50 Messen weltweit pro Jahr. "Das Siegel ‚Made in Germany‘ hat uns zwar geholfen, aber ich musste viel Überzeugungsarbeit leisten." Was seine Frau Sabine dazu sagt? "Ich bin mit Leib und Seele dabei - zu zweit schaffen wir das Dreifache!" Innerhalb weniger Jahre waren die Ziele aus dem Businessplan übererfüllt. Doch für die beiden geht es immer weiter.
"Jeden Euro, den wir übrighaben, investieren wir in das Unternehmen" betont Piasecki. Seine Devise: "Wer groß rauskommen will, kümmert sich auch um Kleinigkeiten." So hat das Unternehmen für die Beschäftigten vorsorglich einen Defibrillator angeschafft und Langenburg gleich noch einen dazu geschenkt. Nebenbei engagiert sich der 43-Jährige im Rotary-Club sowie im Senat der Wirtschaft.
Woraus er Kraft schöpft? Die Familie, so Piasecki, sei für ihn Erholung. Die gemeinsamen Spaziergänge an den Sonntagen mit seiner Frau, seinen Kindern und dem Hund sind ihm wichtig. Auch die Arbeit in der Halle ist für ihn ein Ausgleich von den vielen Reisen.
Sein Tipp für Gründungswillige: "Kleine Unternehmen sind wesentlich anpassungsfähiger und schneller als große." Wer eine gute Idee habe und diese mit Engagement verfolge, könne kaum scheitern. Was konkret dafür nötig ist, fasst Sabine Piasecki in einem Satz zusammen: "Mein Mann gibt immer 300 Prozent!"
"Ich bin das schwarze Schaf in der Familie, weil ich als einziger kein Lehrer bin"
SchoolCraft GmbH in St. Johann/ Reutlingen
"Ich bin eigentlich das schwarze Schaf der Familie", erklärt Fabian Röken lachend, als er seinen Werdegang beschreibt: Die Mutter und Schwester Lehrerinnen, der Vater Lehrer. Ihn selbst zog es jedoch zur Softwareprogrammierung. Gemeinsam mit anderen Gründern rief er zwei Softwareunternehmen ins Leben. Auch in seiner Freizeit programmierte er: "Umzingelt von Lehrern" entwickelte er nebenbei digitale Werkzeuge für Lehrkräfte, um diese bei der Erstellung von Lehrmaterialien zu unterstützen.
Die Inspiration kam von seiner Frau, die – natürlich – Lehrerin werden wollte und sich damals im Referendariat befand: "Bei ihr konnte ich live beobachten, wie aufwendig die Vorbereitung des Unterrichts ist." Schließlich entstand aus seinem Hobby eine Geschäftsidee. 2012 gründete er die SchoolCraft GmbH in St. Johann bei Reutlingen. Das Angebot war von Anfang an nicht darauf ausgerichtet, fertige Vorlagen für den Unterricht anzubieten. "Vielmehr war und ist es unser Ziel, den Lehrern die effiziente und selbstständige Erstellung von Unterrichtsvorlagen zu ermöglichen."
Als "Baukasten" bezeichnet Röken das SchoolCraft-Angebot, das der heute 43-Jährige zusammen mit seinem Team auf einer datensicheren Plattform anbieten kann. Wer im Suchfeld den Begriff "Wasserkreislauf" eingibt, erhält Vorlagen, die eine schnelle, kreative und individuell angepasste Erstellung von entsprechenden Unterrichtsmaterialien zulassen. Die Lehrenden sind begeistert. Anders als vielleicht angenommen, zeigen die SchoolCraft-Statistiken, dass nicht nur junge Lehrerinnen und Lehrer das Angebot nutzen. "Von den Altersgruppen her gibt es kaum Unterschiede", erläutert der Gründer. Neben der Möglichkeit, Angebote individuell zusammenzustellen, schätzen viele die Aktualität. "Veränderungen wie die Entwicklung des Brexits pflegen wir so schnell wie möglich ein."
Die Inspirationen für Themen, die er anbietet, erhalten er und sein mittlerweile 19-köpfiges Team von den Lehrkräften selbst, die entweder unaufgefordert ihre Expertise einbringen oder bei Umfragen mitmachen. Dabei konnte er lernen, hinter den geäußerten Wünschen seiner Kundschaft den wirklichen Bedarf zu erkennen. "So bieten wir die Möglichkeit, eigene attraktiv gestaltete Aufgabenhefte zum Selbstausdruck zu erstellen", gibt der Gründer ein Beispiel. Den Wunsch dazu hatte zwar niemand geäußert. "Vermutlich, weil sich niemand vorstellen konnte, dass das möglich ist."
SchoolCraft startete einen Versuch und bot Selbstausdrucke "ungefragt" an – und erzielt damit heute enorme Erfolge. Auch andere Features, wie die Darstellung von Inhalten auf Tablets oder die Möglichkeit, eigene mündliche Erläuterungen zur Weitergabe an die Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, kommen gut an. "Für die Zukunft haben wir den Einsatz von VR-Brillen im Unterricht im Auge", ist die Vision von Röken. Zudem überlegt er, wie sich Pädagogen bei der Einschätzung der Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern unterstützten lassen. "Damit die Kinder und Jugendlichen bei ihrer individuellen Leistungsfähigkeit abgeholt und optimal gefördert werden können."
So wie Röken neue Möglichkeiten zur Erstellung von Unterrichtsmaterialen aufzeigt, ging er auch bei der Entwicklung seines Unternehmens von Anfang an neue Wege. "Wir hatten noch nie ein Büro." Vielmehr war der Vater von drei Kindern schon viele Jahre vor der Corona-Pandemie von den Vorteilen des Homeoffice überzeugt. "Das bringt eine deutlich bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit sich." Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten alle von zu Hause aus. Dieses dezentrale Prinzip entspringt nicht zuletzt dem Bedürfnis des Gründers, seine Arbeitszeit nicht mit Managementaufgaben zu verbringen: "Ich brauche einfach meine Zeit für meine Programmier-Spielwiesen."
So haben alle im Team grundsätzlich die Möglichkeit, unternehmensweit eigenverantwortlich und autonom Entscheidungen zu treffen. "Es gibt lediglich die Vorgabe, dass man sich mit denen, die im Unternehmen davon betroffen sind, sowie jenen, die über das Thema gut Bescheid wissen, zu beraten hat." Dadurch, so Röken, ist die tägliche Arbeit gleichzeitig durch unternehmerisches Denken wie auch durch eine hohe Motivation geprägt. Selbst Neueinstellungen werden vom Team initiiert und durchgeführt. "Das Schlüsselwort hierzu ist Vertrauen in die Beschäftigten, aber auch das Vertrauen in das Prinzip der Selbstorganisation." Dies alles schließt Konflikte nicht aus und soll es auch nicht. "Aber wir reden darüber. Und es ist unglaublich, was man alles durchs Reden bewegen kann." Damit das Unternehmen auch als Ganzes Ziele verfolgen kann, gibt es Fokusgruppen. Diese treffen sich in wechselnder Besetzung vierteljährlich und vereinbaren bereichsübergreifende Ziele, beispielsweise "Lücken im Angebot finden und schließen".
Da der Unternehmenserfolg der Erfolg des ganzen Teams ist, sind konsequenterweise alle Beschäftigten mit zehn Prozent am Gewinn beteiligt. Allerdings begreifen sich alle als Teil eines Sozialunternehmens, dessen Hauptaufgabe nicht darin besteht, Gewinne und Umsätze zu maximieren. Vielmehr geht es darum, Nützliches zu generieren und Lehrende bei ihrer Arbeit zu unterstützen. So wollen sie mithelfen, den Unterricht besser zu gestalten. "Erstaunlicherweise verzeichnen wir dennoch seit Jahren ein starkes Umsatzwachstum", so Röken. "Oder gerade deshalb?"
"Es gibt immer unglaublich viel zu tun"
Ziegenhütte Zollernalb in Harthausen bei Albstadt
Wer ein Unternehmen von den Eltern übernimmt, setzt sich keineswegs immer ins "gemachte Nest". „Im Gegenteil: Wir haben den elterlichen Schweinemastbetrieb im Jahr 2013 komplett verändert“, blickt Carolin Dietz zurück. Sie hatte vorher in den sozialen Bereich hineingeschnuppert, sich dann aber für ein Studium der Agrarwissenschaften in Hohenheim entschieden. Irgendwann kam dann die Frage der Eltern, ob eine der drei Schwestern die Nachfolge antreten wollte.
Carolin Dietz und ihr Mann Alexander hatten zu dem Zeitpunkt schon auf dem Hof gewohnt und als Hobby Ziegen und auch einen Esel gehalten. "Wir mögen beide Tiere einfach sehr gern", erzählt die 36-Jährige. Zusammen mit ihrem Mann entschied sie sich schließlich für das Wagnis. Dabei war ihr klar, dass sie das Konzept vollständig ändern würde: Die Schweinemast wurde aufgegeben. Stattdessen wurde die Idee der Ziegenhütte geboren. Das Ehepaar baute eine Käserei sowie einen Ziegenstall und schaffte 80 Ziegen an. Zusätzlich wird heute auf 120 Hektar Fläche biologisch Getreide angebaut. Was auch zur Entscheidung beigetragen hat: "Der Hof war schuldenfrei. Das hat uns sehr geholfen."
Was haben die Eltern zu den ganzen Veränderungen gesagt? "Die standen voll hinter uns und haben tatkräftig mitgeholfen." Tatsächlich war den Eltern die Erfahrung, dass ein Generationenwechsel auch Veränderung bedeutet, nicht fremd. "Sie hatten 1982 schon von meinen Großeltern den Betrieb übernommen und dabei von Milchvieh auf Schweinemast umgestellt."
Die Phase der Übernahme war voller Lernerfahrungen. "Für den Ziegenkäse braucht man Zeit und Geduld", betont sie. "Wenn man nicht mit dem Kopf dabei ist, dann klappt das nicht." Die Herausforderung beim ökologischen Anbau von Getreide ist das Unkraut. "Zu Beginn machte es manchmal gar keinen Sinn, zu ernten. Da haben wir die Felder einfach gemulcht." Gemulcht? Sie lacht: "In diesem Fall schneiden wir das Getreide mit dem Unkraut zusammen klein und lassen es liegen. Dann hat man zwar keine Ernte, aber es erhöht immerhin die Fruchtbarkeit des Bodens."
Nicht nur die Produktion, auch alles andere musste komplett neu aufgebaut werden. "Besonders unterschätzt habe ich den Aufwand für das Marketing." Um sich den Markt zu erschließen, wurde zunächst ein eigener Hofladen gebaut. Bald wurden auch andere Hofläden und der lokale Einzelhandel mit dem Ziegenkäse beliefert. Auch auf Wochen- und Sommermärkten florierte der Verkauf. Der Erfolg war schnell da und größer als gedacht. "Im Nachhinein hätten wir den Laden größer planen sollen."
Neu für alle war auch der Umgang mit Kundschaft. In den ersten Jahren kamen die meisten aus den umliegenden Städten wie Balingen, Albstadt und Tübingen. Nach und nach kommen aber auch immer mehr aus dem ländlichen Raum. "Auch hier findet ein Umdenken statt. Unsere Kunden sind Genussmenschen, die an regionalen Produkten und regionaler Landwirtschaft interessiert sind." Ausgeprägte Bio-Anhänger sind dagegen in der Minderheit, was auch ihr selbst entspricht. "Ich glaube zwar, dass die biologische Landwirtschaft der richtige Weg ist. Das heißt aber nicht, dass ich die konventionelle Landwirtschaft verteufele." Voneinander lernen könne man, sagt sie, und dass man im Gespräch bleiben müsse. "Die Wahrheit hat niemand gepachtet."
Selbstständig zu sein, findet Diez toll. "Man ist einfach sein eigener Chef." Gerade in der Pandemie habe sich das wieder gezeigt: "Unsere drei Kinder haben beim Käsemachen geholfen, sind uns im Büro auf dem Schoß gesessen oder haben sich mit den Tieren beschäftigt", beschreibt sie den Corona-Hofalltag mit der Familie. "Man hat viele Freiheiten. Aber man ist natürlich auch gleichzeitig an den Hof und seine Aufgaben gebunden." So gibt es den zehntägigen Jahresurlaub im Winter. Ansonsten gönnt sie sich mit Mann und Kindern gelegentlich einen freien Tag in der Woche.
Für die Zukunft will sie weiterwachsen, quantitativ, aber auch qualitativ. So kann sie sich Kochkurse mit regionalen Produkten und Hoferlebnistage vorstellen. Sie will den Menschen regionale landwirtschaftliche Produkte nahebringen. "Viele wissen gar nicht, aus was Essen eigentlich konkret besteht und woher diese Produkte kommen. Je mehr sie darüber wissen, desto mehr schätzen sie auch die Arbeit von uns Landwirten." Für den Käse schwebt ihr bald ein Online-Shop als weiterer Vertriebsweg vor. Der wirtschaftliche Erfolg ist die Grundlage für die weitere Entwicklung des Betriebes. "Derzeit sind die Preise für Getreide sehr gut. Hoffen wir, dass das so bleibt." Für Dietz und ihren Mann sind auch andere Dinge von hoher Bedeutung: "Das Tierwohl ist uns sehr wichtig." Und Projekte zur Artenvielfalt, zum Beispiel das Anlegen von Blühstreifen und der Humusaufbau. Ob sie auch einen Garten wollen? Sie winkt ab: "Natürlich hätte ich gerne einen Bauerngarten. Doch so vielfältig und befriedigend die Arbeit ist, ist doch immer auch unglaublich viel zu tun."