Karlsruhe, 02.07.2024. Zum Ende des ersten Halbjahres 2024 verharrt die Südwestwirtschaft in der Stagnation. Der L‑Bank-ifoInstitut für Wirtschaftsforschung-Geschäftsklimaindex hat sich im Vergleich zum Vorquartal nur leicht verbessert und liegt damit nun bereits seit mehr als einem Jahr ununterbrochen im negativen Bereich. Der noch zum Jahresbeginn erkennbare Aufwärtstrend hat somit bereits wieder deutlich an Schwung verloren. Insbesondere die Geschäftserwartungen der Unternehmen im Hinblick auf das zweite Halbjahr sind von Pessimismus geprägt.
Frage: Frau Weymayr, der erhoffte konjunkturelle Aufschwung lässt weiter auf sich warten. Müssen wir uns auf eine absehbare Zeit schlicht an eine stagnierende Wirtschaft gewöhnen?
Antwort: Es sieht so aus, als hätten wir es derzeit leider nicht mit einem kurzen Einbruch, sondern mit einer längeren Phase der Stagnation zu tun. Unser L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex liegt seit mehr als einem Jahr ununterbrochen im negativen Bereich. Das gab es zuletzt vor 15 Jahren während der Finanzkrise. Dementsprechend wird auch der Weg aus dieser Stagnation vermutlich beschwerlich. Das liegt daran, dass wir es neben einer schwierigen geopolitischen Lage auch mit tiefsitzenden strukturellen Problemen unserer Wirtschaft zu tun haben. In diesem Jahr ist die Wahrscheinlichkeit für eine nennenswerte konjunkturelle Dynamik daher leider gering. So hat das ifo-Institut seine Prognose zwar zuletzt leicht angehoben, rechnet aber dennoch nur mit einem geringen Wirtschaftswachstum von 0,4 % in Deutschland.
Frage: Gibt es trotz dieser eher pessimistischen Prognosen auch Entwicklungen, die Hoffnung machen?
Antwort: In erster Linie ist hier die deutlich gesunkene Inflation zu nennen. Vor einem Jahr hatten wir es noch mit Preissteigerungsraten von um die 7 % zu tun. Inzwischen sind wir bei knapp über 2 % angekommen. Das wirkt sich – in Kombination mit den jüngsten Tarifabschlüssen – positiv auf die Reallöhne aus, die im ersten Quartal in Deutschland um fast 4 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Auch die Verbraucherstimmung hat sich dadurch zuletzt wieder verbessert: In unserer L-Bank-GfKGesellschaft für Konsumforschung-Verbraucherumfrage sind sowohl das Einkommens- als auch das Anschaffungsklima im Juni auf den höchsten Stand seit etwa zwei Jahren angestiegen. Beide Werte liegen jedoch weiterhin im negativen Bereich, sodass auch das nur ein erster Schritt aus der Krise ist.
Frage: Die höheren Reallöhne dürften auch die Konsumlaune verbessern. Schlägt sich dieser Effekt auch bereits in der Stimmung der Unternehmen nieder?
Antwort: Ja, tatsächlich ist zumindest die Stimmung im Dienstleistungsbereich im Vergleich zu den übrigen Wirtschaftssektoren deutlich besser. Im Juni ist der entsprechende Geschäftsklimaindex sogar auf den höchsten Stand seit genau einem Jahr gestiegen. Insbesondere die Stimmungslage im Gastgewerbe hat sich zuletzt deutlich erholt, was der zunehmenden Kaufkraft der Privathaushalte und womöglich auch zusätzlichen Umsätzen während der Fußball-Europameisterschaft zu verdanken sein dürfte. Für das zweite Halbjahr rechnen die Dienstleiter zudem mit klaren Umsatzsteigerungen, sodass die Binnenkonjunktur mittelfristig zu einer Triebfeder für einen neuen konjunkturellen Aufschwung werden könnte.
Frage: Werfen wir abschließend noch einen Blick auf ein Sorgenkind der letzten Jahre: Wie hat sich die Stimmungslage im Wohnungsbausektor im abgelaufenen Quartal entwickelt?
Antwort: Leider kann man bislang allenfalls von einer leichten Linderung der dramatischen Situation im Wohnungsbau sprechen. Im Vergleich zum Vorquartal ist der Geschäftsklimaindex zwar gestiegen, liegt aber weiterhin deutlich im negativen Bereich. Zudem ist die Bautätigkeit weiterhin klar rückläufig und fast die Hälfte der befragten Betriebe klagt über Auftragsmangel.
Frage: Hat die nachhaltig schlechte Stimmungslage bereits Auswirkungen auf die Zahl der gebauten Wohnungen?
Antwort: Eindeutig ja. Bereits im vergangenen Jahr war ein deutlicher Einbruch der Genehmigungszahlen zu beobachten; im bisherigen Jahresverlauf hat sich diese Entwicklung fortgesetzt und sogar noch verschärft. Im Zeitraum Januar bis März dieses Jahres wurden nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Baden-Württemberg insgesamt nur rund 5.200 Baufreigaben für Neubauwohnungen erteilt. Das ist ein dramatischer Rückgang um 43 % im Vergleich zum Vorjahr. Eine nachhaltige Trendwende im Wohnungsbau wäre daher dringend vonnöten, damit auch künftig eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum gewährleistet werden kann.