Konjunktur-Interview

Baden-Württemberg im Abschwung – Rote Laterne im Bundesvergleich

Aktualisiert am

Konjunkturstimmung in Baden-Württemberg weiter verschlechtert – L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex sinkt noch tiefer unter die Nulllinie

„Der L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex liegt inzwischen bereits seit 16 Monaten ununterbrochen im negativen Bereich. Das ist keine kleine konjunkturelle Delle mehr, sondern ein Zeichen für tiefgreifende, strukturelle Probleme in der Südwestwirtschaft. Der erhebliche Rückgang des baden-württembergischen Bruttoinlandsprodukts im ersten Halbjahr 2024 um 1,3  % unter dem Vorjahresniveau ist der schlechteste Wert unter allen deutschen Bundesländern. Die konjunkturelle Krise ist hier besonders ausgeprägt“, bewertet L‑Bank-Vorstandsvorsitzende Edith Weymayr die aktuelle Lage.

Karlsruhe, 10.10.2024. Die Konjunkturstimmung in Baden-Württemberg hat sich im dritten Quartal weiter eingetrübt. Im Vergleich zum Halbjahresende ist der L‑Bank-ifoInstitut für Wirtschaftsforschung-Geschäftsklimaindex unter der Nulllinie weiter gesunken. Bei den Südwestunternehmen haben sich dabei sowohl die Beurteilung der aktuellen Lage als auch die Erwartungen für die kommenden Monate negativ entwickelt.

Frage: Frau Weymayr, nach wie vor ist keine konjunkturelle Trendwende in Sicht; das Geschäftsklima hat sich im Vergleich zum Vorquartal sogar noch verdüstert. Woran liegt das?

Antwort: Der L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex liegt inzwischen bereits seit 16 Monaten ununterbrochen im negativen Bereich. Das ist keine kleine konjunkturelle Delle mehr, sondern ein Zeichen für tiefgreifende, strukturelle Probleme in der Südwestwirtschaft. Das baden-württembergische Bruttoinlandsprodukt lag im ersten Halbjahr 2024 um 1,3  % unter dem Vorjahresniveau. Das ist ein erheblicher Rückgang und der schlechteste Wert unter allen deutschen Bundesländern.  Aufgrund seiner starken industriellen Prägung ist Baden-Württemberg überproportional vom aktuellen Abwärtstrend in vielen Industriebranchen betroffen. Daher ist die konjunkturelle Krise hier besonders ausgeprägt.

Frage: Neben seiner starken Industrie steht Baden-Württemberg auch für eine exportorientierte Wirtschaft. Wie hat sich das Auslandsgeschäft im bisherigen Jahresverlauf entwickelt?

Antwort: Angesichts der schwierigen geopolitischen Lage liegt das baden-württembergische Exportvolumen bislang unter dem Vorjahresniveau. Das Statistische Landesamt berichtet für das erste Halbjahr von einem Rückgang um 3,7 % auf 125,1 Mrd. Euro. Insbesondere bei den Ausfuhren nach China war ein deutlicher Einbruch auf 8,4 Mrd. Euro zu verzeichnen – fast 16 % weniger als im Vorjahr. Auch für die kommenden Monate können wir keine Trendwende erwarten. Die Exporterwartungen der Industriebetriebe in unseren aktuellen Umfragen liegt im negativen Bereich. Die Unternehmen rechnen also tendenziell mit einem weiteren Rückgang ihrer Auslandsgeschäfte.

Frage: Zu Beginn des Jahres lagen die Hoffnungen für eine konjunkturelle Erholung stark beim privaten Konsum. Wie ist aktuell die Stimmungslage auf der Verbraucherseite?

Antwort: Die Menschen sind natürlich erleichtert, dass die Inflation sich wieder normalisiert hat und die großen Preissprünge der letzten Jahre erst einmal vorüber sind. Im September ist die Inflationsrate in Baden-Württemberg auf nur noch 1,4 % gesunken. Nichtsdestotrotz ist das Preisniveau heute natürlich deutlich höher als noch vor drei Jahren und nimmt den Privathaushalten Spielräume für zusätzlichen Konsum. Hinzu kommt die allerorts spürbare politische und wirtschaftliche Unsicherheit, die auf die Konsumstimmung drückt. Dementsprechend hat sich das Konsumklima in Baden-Württemberg zwar im bisherigen Jahresverlauf etwas gebessert, ist jedoch weiterhin von Zurückhaltung geprägt. In unserer L-Bank-GfKGesellschaft für Konsumforschung-Verbraucherumfrage liegen sowohl das Konjunktur- als auch das Einkommens- und Anschaffungsklima weiterhin klar im negativen Bereich.

Frage: Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt in dieser schwierigen Lage?

Antwort: Im September lag die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg bei 4,3 % – ein Anstieg um 0,3 Prozentpunkte beziehungsweise rund 25.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Das ist historisch und international betrachtet immer noch ein vergleichsweise niedriges Niveau. Alarmierend ist aber, dass die Zeichen in der Industrie derzeit klar auf Personalabbau stehen. Dies kann man nicht nur an den zahlreichen Presseberichten über Personalabbaupläne bei großen Industrieunternehmen erkennen. Auch in unseren Umfragen äußern sich die Unternehmen bezüglich ihrer Personalsituation derzeit so pessimistisch wie zuletzt direkt nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020. Umso wichtiger ist in dieser Situation, dass die Unternehmen wieder Zuversicht und Sicherheit gewinnen, damit Investitionen getätigt und der dringend erforderliche strukturelle Wandel gestaltet werden kann.

Hintergrund

Für den L-Bank-ifo-Konjunkturbericht werden monatlich über 1.200 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. An der L-Bank-GfK-Verbraucherumfrage zur Ermittlung des Preis-, Konjunktur-, Einkommens- und Anschaffungsklimas beteiligen sich in der Regel rund 300 Privatpersonen. Für den L-Bank-Wohnungsbau-Report wird die baden-württembergische Baubranche einmal im Quartal einer vertieften Analyse unterzogen.

Downloads

  • Presseinformation: Konjunkturinterview Q3

    Konjunkturstimmung in Baden-Württemberg weiter verschlechtert – L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex sinkt noch tiefer unter die Nulllinie

    „Der L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex liegt inzwischen bereits seit 16 Monaten ununterbrochen im negativen Bereich. Das ist keine kleine konjunkturelle Delle mehr, sondern ein Zeichen für tiefgreifende, strukturelle Probleme in der Südwestwirtschaft. Der erhebliche Rückgang des baden-württembergischen Bruttoinlandsprodukts im ersten Halbjahr 2024 um 1,3 % unter dem Vorjahresniveau ist der schlechteste Wert unter allen deutschen Bundesländern. Die konjunkturelle Krise ist hier besonders ausgeprägt“, bewertet L‑Bank-Vorstandsvorsitzende Edith Weymayr die aktuelle Lage.

    Gültig
    Eingestellt am 10.10.2024
    Gültig ab 10.10.2024
    Download starten PDF, 53,9 KB