Karlsruhe, 10.01.2025. Die Konjunkturstimmung in Baden-Württemberg ist aktuell so schlecht wie seit der Anfangsphase der Corona-Pandemie nicht mehr. In der L‑Bank-ifo-Konjunkturumfrage ist der Geschäftsklimaindex im Vergleich zum Vorquartal noch einmal deutlich zurückgegangen. Insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe und im Großhandel hat sich die Stimmungslage seit September weiter verdüstert.
Frage: Frau Weymayr, zum Jahreswechsel ist der L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex auf den tiefsten Stand seit viereinhalb Jahren gefallen. Wie sehen angesichts dieser schwierigen Ausgangslage die Prognosen für das neue Jahr aus?
Antwort: Man kann hinsichtlich der Ausgangslage noch ergänzen, dass der Geschäftsklimaindex inzwischen seit 19 Monaten ununterbrochen im negativen Bereich liegt. Eine so lange Durststrecke war bislang nur einmal zu beobachten – und zwar während der Finanzkrise vor etwa 15 Jahren. Es wird also immer klarer, dass wir es mit einer tiefsitzenden und strukturellen Krise zu tun haben. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die politische und wirtschaftliche Unsicherheit durch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und das Ende der Ampelregierung eher noch erhöht hat. Die Konjunkturprognosen für das kommende Jahr sind in diesem Umfeld sehr verhalten. Die meisten Forschungsinstitute rechnen für 2025 – wenn überhaupt – nur mit einem geringfügigen Wirtschaftswachstum in Deutschland.
Frage: Was sind die Gründe für die tiefsitzende Krise und in welchem Umfang ist Baden-Württemberg hiervon betroffen?
Antwort: Der aktuelle konjunkturelle Abschwung ist zu weiten Teilen auf strukturelle Probleme zurückzuführen, die insbesondere die Industrie betreffen. Zu nennen sind dabei vor allem massive Kostensteigerungen bei Energie und Personal, eklatante Infrastrukturmängel und eine teilweise überbordende Bürokratie. Diese und andere Aspekte führen dazu, dass sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts in den letzten Jahren signifikant verschlechtert hat. Dies trifft natürlich auch und insbesondere Baden-Württemberg mit seiner starken Exportorientierung ins Mark, sodass die konjunkturellen Aussichten im Südwesten für das neue Jahr noch trüber als auf Bundesebene sind.
Frage: Spiegelt sich diese besondere Betroffenheit Baden-Württembergs auch bereits in der L-Bank-ifo-Konjunkturumfrage wider?
Antwort: Die Konjunkturstimmung in Baden-Württemberg ist derzeit tatsächlich noch etwas schlechter als auf Bundesebene. Besonders düster ist die Situation in der Südwestindustrie; hier war das Geschäftsklima im Dezember erstmals seit fast drei Jahren sogar noch trüber als im Baugewerbe. Viele Industriebetriebe geben in unseren Umfragen an, in den kommenden Monaten Personal abbauen zu wollen und rechnen weiterhin mit rückläufigen Auslandsgeschäften. Hierbei dürfte auch eine Rolle spielen, dass die US-Handelspolitik in den kommenden Jahren vermutlich noch protektionistischer wird und sich die Fragmentierung der Weltwirtschaft weiter erhöhen dürfte.
Frage: Gibt es trotz dieser tiefen strukturellen Krise Aspekte, die für das kommende Jahr Hoffnung machen?
Antwort: Ein positiver konjunktureller Impuls könnte in der zweiten Jahreshälfte 2025 von einer möglichen Wachstumsagenda der neuen Bundesregierung ausgehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Koalitionsgespräche möglichst schnell und unkompliziert verlaufen und dann auch zügig passgenaue Maßnahmen in die Wege geleitet werden. Sofern die Inflation auf dem aktuellen Niveau von etwas über 2 % verharrt, hätte die Europäische Zentralbank zudem Spielräume für weitere Zinssenkungsschritte. Dies könnte insbesondere dem Wohnungsbausektor helfen, sich nach Jahren der Krise zumindest wieder auf niedrigem Niveau zu stabilisieren.
Frage: Ist dieser mögliche positive Effekt im Wohnungsbau auch schon an den aktuellen Stimmungswerten erkennbar?
Antwort: Leider nur in Ansätzen. Das Geschäftsklima im Wohnungsbau hat sich in den letzten Monaten zumindest nicht noch weiter verschlechtert und etwas stabilisiert. Die Geschäftserwartungen der Wohnungsbauunternehmen für das erste Halbjahr 2025 sind aber noch immer klar von Pessimismus geprägt. Zudem geben fast 70 % der Betriebe an, derzeit in ihrer Bautätigkeit eingeschränkt zu sein – überwiegend verursacht durch Auftrags- oder Fachkräftemangel. Der Weg aus der Krise wird also im Wohnungsbausektor vermutlich lang und beschwerlich. Die Talsohle könnte aber inzwischen erreicht worden sein.